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Ein Kurztrip nach Stettin

Um die Wartezeit auf unseren Hausboot-Urlaub mit Familie Schnitz zu verkürzen, haben wir kurzerhand beschlossen, ein paar Tage früher zu starten, einen Kurztrip nach Stettin in Polen zu machen und von dort aus nach Mecklenburg zu reisen, um uns da wiederum mit Familie Schnitz zu treffen und gemeinsam unser Hausboot zu entern. Gedacht – getan. Ein kleines schnuckliges Hotel habe ich gefunden, mitten in der Altstadt mit einem phänomenalen Blick auf die Oder. Und sogar bezahlbar!

Wir packen also für drei Wochen und lenken den Schaukelbenz erstmal aber nach Thüringen, weils ja so praktisch auf dem Weg liegt? … Nein, natürlich auch um AIKAs Eltern zu besuchen. Die freuen sich, denn wegen Corona sind auch ihre Urlaubspläne gehörig durcheinander gewirbelt worden und gesehen hat man sich in diesem Jahr noch nicht viel. Wir verbringen ein gemütliches Wochenende dort und starten am darauffolgenden Montag nach Polen. Die Temperaturen klettern seit Tagen unaufhörlich in die Höhe, die Wettervorhersagen verkünden Höchst-Sommer für die nächsten zweidrei Wochen. Jawoll! Wenn schon alles so saublöd ist wegen des Virus’ dann wenigstens schönes Wetter.


Tag 1

Stettin empfängt uns mit 30° und einem Mörder-Stau. Sind wir die lange Strecke bis dahin super gut durchgekommen, stecken wir jetzt in der Stadt fest. Ich mache mir langsam Sorgen, ob die unser Zimmer auch freihalten. Knapp anderthalb Stunden, nachdem wir das Ortseingangsschild passiert haben, stehen wir aber endlich vor unserem Hotel. Und wirklich – es ist wie die Bilder versprochen haben. Megasüß, ganz schmal, nur ein paar wenige Zimmer und sehr familiär. Wir fühlen uns sofort wohl, bekommen das schönste Zimmer im Hotel, ganz oben mit einer Hammeraussicht. Zack – URLAUB! Um die Ecke ist der Heumarkt, hier probieren wir natürlich zuerst ein selbstgebrautes Bier in der Brauerei, die auch ein Restaurant ist.


Den Tag beenden wir mit einem Spaziergang über den Jahrmarkt (ja, hier ist tatsächlich JAHRMARKT!! trotz Corona) und beenden den Tag mit einem super leckeren Abendessen im “Columbus” hoch oben thronend mit dem Blick auf die Oder und die bunten Schausteller-Geschäfte. Übrigens, ca. 80% der Schausteller waren aus Deutschland. Die versuchen natürlich alles, um noch ein paar Euro zu verdienen, denn in Deutschland war zu diesem Zeitpunk schon alles dicht!


Tag 2

Wir schlafen phantastisch in unserem Hotelbettchen, gehen lecker frühstücken im Restaurant unseres Hotels und machen uns auf, die Stadt ein wenig zu erkunden. Viel gibt Stettin leider nicht her. Ich hatte allerdings im Vorfeld gelesen, dass es eine Wodka-Fabrik gibt, die Führungen anbietet. Das wollen wir sehen! Denn immerhin – wenn die Polen etwas können – dann Wodka! Dieser “Starka” soll wirklich toll sein. Wir haben ja unendlich Zeit, also lassen wir uns im Hotel zeigen, wie wir mit dem Öffis hinkommen. Hm, irgendwie kannte das hier aber keiner am Empfang – das kam uns schon spanisch vor. Also versuchen wir es alleine und beschließen, den Weg zu Fuß zu meistern.


Die Adresse finden wir, eine große Fabrik mit einer antiken Fassade und einem riesigen schmiedeeisernen Tor. Verschlossen! Oh. Okay. Ein klitzekleines Schild weist auch daraufhin, dass wir hier richtig sind. Allerdings ist hier alles zu! Ein Schäferhund kommt auch gleich bedrohlich knurrend und bellend ans Tor angesaust, wir nehmen Abstand. Nebenan ist noch ein Gebäude, welches dazugehörig scheint. Wir rütteln an der Tür – auch zu! Hm, etwas ratlos stehen wir rum, als sich kurzdrauf besagte Tür öffnet und ein völlig unentspannter Typ uns sehr unhöflich zu verstehen gibt, dass wir verschwinden sollen. “No tour!”

Okay, keine Starka-Führung für uns. Wir werden nie erfahren, ob das jetzt an Corona lag oder am Wochentag oder am Wetter oder an was auch immer. Schade!

Für den Rückweg in die Stadt nehmen wir jetzt aber den Bus, der genau vor der Fabrik abfährt und steuern das Oder-Ufer mit den Hakenterrassen an. Die sind eine Sehenswürdigkeit der einst deutschen Stadt, die seit dem zweiten Weltkrieg zu Polen gehört und jetzt Szczecin (sprich: Ztzeschien) heißt. Vorher versuchen wir eine Bootsrundfahrt zu bekommen. Hallo, immerhin sind wir hier direkt an einem Fluss, da wird es doch irgendwas geben? Aber nix. Man merkt leider dann doch auch hier die Auswirkungen von Corona, vieles hat zu oder eingeschränkte Öffnungzeiten. Es ist wie verhext, nichts – wirklich absolut nichts zu machen. Wir treffen sogar noch eine nette Mitarbeiterin eines schwimmenden Hotels, die exra für uns noch telefoniert. Keine Chance! Aber gut, so ist es eben, wenn man ich solchen unsicheren Zeiten verreist …



Wir lassen uns ein wenig treiben, gehen nochmal auf dem Heumarkt ein Bierchen trinken, ziehen uns dann schick an und gehen Abendessen im “Colorado”, auch wieder mit einer umwerfenden Aussicht auf die Oder. Ums nochmal zu erwähnen. Die Polen können nicht nur Bier und Wodka, sondern auch: KOCHEN! Egal, was wir in den drei Tagen hier verspeist haben, es war unglaublich lecker!


Tag 3

Ein Ass habe ich noch im Ärmel. Immerhin sind wir hier in Stettin und diese Stadt hat die größte noch zugängliche militärische Bunkeranlage. Der Luftschutz-Bunker liegt direkt unter dem Hauptbahnhof, wurde 1941 erbaut und war für 5000 Menschen ausgelegt. Seine Stahlbetonwände sind 3 Meter dick und er ist 2,80 hoch. Seine gesamte Fläche hat 3000 qm. Nicht weit von unserem Hotel ist der Bahnhof und nach einem Frühstück brechen wir auf. Welche Führungen angeboten werden, habe ich im Vorfeld schon recherchiert und wir sind heilfroh, als wir endlich den Einstieg finden, denn der ist echt total versteckt … Noch froher sind wir, als wir feststellen, dass die Anlage geöffnet ist und Führungen stattfinden. Nur mit dem obligatorischen MNS – logisch – aber immerhin!

Wir buchen eine deutsch-/englischsprachige Führung in der die deutsch-polnische Geschichte, die Entstehung des Bunkers und auch die Entwicklung Stettin sehr gut erklärt wird. Auch durch die spärliche Beleuchtung bekommt man tatsächlich ein beklemmendes Gefühl und kann nur im Ansatz erahnen, was in den Leuten vorgegangen sein muss, die hier im 2. Weltkrieg Schutz vor Bomben und Luftangriffen suchten. Viele Exponate, sorgsam zusammen getragen und gut gepflegt, vermitteln noch zusätzliches Wissen.


Nach gut einer Stunde sind wir wieder draußen und der Besuch hier hallt noch eine ganze Weile in uns nach. Wen es mal nach Stettin verschlägt – unbedingt reingehen! Draußen schnappen wir uns eine Straßenbahn und fahren noch ins Stettiner Museum für Technik und Kommunikation, welches sich aber (für uns!) leider als Reinfall erweist. Vielleicht haben wir aber auch nur einen schlechten Tag für uns erwischt. Wir fahren also wieder zurück ins Hotel, packen unsere sieben Sachen und gehen noch einmal ins Wyszak essen. JAN bestellt ein letztes mal eine Zurek, eine typisch polnische Suppe, die er so mag und wir lassen hier den Kurztrip nach Stettin ausklingen.


Die Stadt ist ohne Zweifel toll. Viel Geschichte – eben auch eine sehr spezielle, durch ihre deutsche Vergangenheit – aber auch viel Verfall. Das resultiert daraus, das haben wir im Bunker gelernt, dass nach dem Krieg keiner wusste, was mit Stettin wird und erstmal alle anderen Städte wiederaufgebaut wurden. Lange musste Szczecin warten, bis auch hier der Aufbau startete. Und das sieht man ihr an. Oft habe ich mich an die tristen Straßenzüge im tiefsten grauen Osten erinnert … 🙂

Es hat uns gefallen, aber insgesamt war unser Trip einen Tag zu lang und wenn Corona nicht auch noch ein Thema gewesen wäre, wäre es bestimmt perfekt gewesen. Aber jetzt freuen wir uns auf morgen, da treffen wir endlich unsere Freunde und stimmen uns gemeinsam auf unser großes Abenteuer ein: HAUSBOOT!

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